1 m Tag, als sich Sophias Ankunft auf Erden zum 23. Mal jährte, kam ihre Mutter Thara auf sie zu und sprach: "Es ist Zeit für deine Bundesweihe. 2 Viel zu lang haben wir damit gewartet, doch waren dein Vater und ich bislang uneins in der Frage, welcher Hohepriester dich weihen soll. 3 Nun aber bist du alt genug, um selbst zu entscheiden, welches Element dir am nächsten ist. 4 So mach dich also bereit für die Reise nach Brigg, wo ein jedes Element einen Tempel hat." 5 Am folgenden Tag machten sich Thara und Argail mit Sophia auf den Weg nach Brigg. 6 Als sie in dem Teil der Stadt ankamen, wo die Tempel der Elemente unweit voneinander standen, herrschte auch dort nicht minder großes Treiben wie auf dem großen Marktplatz der Stadt. 7 Auch vor den Tempeln hatten Händler ihre Stände aufgebaut und boten ihre Waren lauthals feil; und es war den Hohepriestern zum Wohlgefallen, da sie durch die Händler mit ihren exotischen Waren die Menschen zu ihrem Tempel anzulocken suchten, während die Hohepriester selbst mit ihrer Priesterschaft von erhöhten Podesten ihren Prunk zur Schau stellten und sich mit den Marktschreiern einen Wettstreit um neue Anhänger hingaben. 8 Sophia wandte sich angewidert zur ihrer Mutter und fragte nach dem Haus des Lichts, doch Thara antwortete traurig: "Das Haus des Lichts ist schon lange zerfallen." 9 Sophia ging zum Tempel Aquas und hörte eine Weile der Predigt des Hohepriesters zu bis sie schließlich den Hohepriester respektlos unterbrach: "Hoher Priester, bitte sagt mir warum ich allein Aqua huldigen soll." 10 Und der Hohepriester erwiderte: "Komm zu den Aquarenern und du wirst durch mich unvergleichliche Erkenntnis erlangen, denn die eine Wahrheit liegt in Aqua." 11 Sophia wandte sich ab und ging zum Hohepriester Terras; und gleichsam fragte sie den Hohepriester: "Hoher Priester, bitte sag mir warum ich allein Terra huldigen soll." 12 Der Hohepriester anwortete: "Terra ist Fruchtbarkeit und nur als Terranerin kannst du dir vieler Kinder sicher sein." 13 Sophia wandte sich erneut ab und ging zu den Aeranern und fragte den Hohepriester: "Hoher Priester, bitte sag mir warum ich allein Area huldigen soll." 14 Und der Hohepriester antwortete: "Lasse dich von mir weihen und fortan seien dir als alle vergangenen und zukünftigen Sünden vergeben; du wirst befreit sein von jedweder Schuld, denn Area ist Glückseligkeit." 15 Und wieder wandte sich Sophia ab und ging zum Tempel des Feuers; auch hier unterbrach Sophia den Hohepriester auf seinem Podest und fragte: "Hoher Priester, bitte sag mir warum ich allein Ignis huldigen soll." 16 Und der Hohepriester antwortete: "Ignis ist Macht; Feuer kann alles und jeden vernichten; gleichsam kann es dich aber auch beschützen vor jedweder Gefahr. 17 Nur mit Ignis wirst du Frieden finden und je wertvoller deine Gaben an Ignis sind, umso größer wird sein Wohlgefallen sein und umso sicherer kannst du dir der Bestrafung deiner Feinde sicher sein." 18 Sophia wandte sich ab und weinte. 19 Argail fragte: "Sophia, warum weinst du?" 20 Und sie antwortete unter Tränen: "Ich weine um der Menschen Heil." 21 Schließlich bemerkte Sophia einen ärmlich gekleideten Mann abseits des lauten Treibens; der da sprach mit ruhiger Stimme und kaum wahrgenommen wurde von der Menge. 22 Sophia ging zu dem Mann und hörte ihm lange und aufmerksam zu, denn der alte Mann predigte vom heiligen Licht und es war eine Wohltat für Sophias Geist. 23 Nach einer Weile fragte ihn Sophia: "Bitte sag mir, kannst auch du mir Erkenntnis, Fruchtbarkeit, Glück oder Macht zusichern, wenn ich dem heiligen Licht huldige?" 24 Und der alte Mann antwortete: Wer bin ich, das ich dir solche Versprechungen machen könnte. 25 Aus Liebe sollst du beten, denn durch den Willen des heiligen Lichts bist du auf der Welt; in Demut sollst du beten, denn das heilige Licht ist die Allmacht. 26 Im Gebet sollst du dem heiligen Licht danken für die Gnade, die dir zuteil wird, gleich welches Schicksal dir vom heiligen Licht bestimmt ist. 27 Ich künde von den Geboten des Lichts, aber geben kann ich dir nichts." 28 Und Sophia antwortete: "Du bist wahrhaftig im Glauben und also sollst du mich weihen." 29 Doch während Sophia zu Thara und Argail ging, um ihnen ihre Entscheidung zu verkünden, kamen Wachsoldaten herbei. 30 Sie umringten den alten Prediger und führten in ab. 31 Als Thara, Argail und Sophia zurück an die Stelle kamen, wo der alte Prediger war, befragte Argail einen Bettler, der unweit davon an einer Mauer hockte. 32 Der Bettler berichtete ihnen, das der alte Prediger mit Namen Echarias wohl bekannt ist in der Stadt, belächelt und verspottet, dennoch den Hohepriestern schon lange ein Dorn im Auge und es also kam wie es kommen musste. 33 Argail wandte sich zu Sophia und sprach: "Es tut mir leid, doch so wird dich einer der Priester der Elemente weihen müssen; und der alte Prediger war überdies kein Priester." 34 Doch Sophia sprach: 35 "Was macht einen Mann zu einem Gläubigen, einen Gläubigen zu einem Priester und einen Priester zu einem Hohepriester? 36 Weder Titel, noch Zierrat; allein aus dem tiefempfundenen Glauben an die eine Wahrheit entsteht die Würde, der Menschen Hirte zu sein. 37 Ich habe den gefunden, der wahrlich würdig ist, denn er hat meine Prüfung bestanden; 38 doch zeige mir hier einen wahrlich würdigen Priester und ich will mich also dann von ihm weihen lassen." 39 So sprach Sophia und sie verließen den Platz, denn auch Argail und Thara wussten, das es gut war.