1 ines Abends, als Sophia in einem Gasthaus in Yorn mit ihren Luminaren beisammen saß, kam eine Frau herein. 2 Der Wirt erkannte sie sogleich, denn es war eine bekannte Hure mit Namen Rianna. 3 In dem Wissen, wen er an diesem Abend zu Gast hatte, stellte er sich ihr in den Weg sagte zu ihr: "Hinaus mit dir, denn heute bis du hier nicht erwünscht." 4 Die Hure erwiderte: "Bitte lass mich durch, denn ich ich möchte doch nur zu Sophia aus Morganea." 5 Der Wirt war dabei, die Hure zur Tür hinaus zu schieben, als Sophia aufstand und sprach: 6 "Wer mich sucht, der soll mich finden. So möge sie zu mir kommen." 7 Sichtlich ungern ließ der Wirt die Hure durch, die sogleich auf Sophia zueilte, vor ihr weinend auf die Knie fiel und sprach: 8 "Oh Herrin, ich bin ein sündiger Mensch; welch Buße soll ich tun, damit ich am Ende nicht ins Dunkel falle?" 9 Und Sophia antwortete: "Wahrlich, du hast Sünde begangen, da du deinen Leib, das kostbare Geschenk, das dir gegeben ist vom heiligen Licht, feil geboten hast gleich einer kostbaren Perle, die du wirfst vor die Säue. 10 Du hast dich abgewandt von deiner Mutter, die dir die Tugenden gelehrt hat. 11 Du hast dich abgewandt von deinem Vater, denn nur eine ehrbare Tochter ist ihm eine Zier, doch eine schandbare Tochter ist wie Eiter in seinem Gebein. 12 Der Dunkelheit warst du zugewandt, für wahr, denn du hast die Gnade des Lichts nicht geachtet. 13 Nun aber ist der Schatten des Raben von dir gewichen, denn ich sehe in dein Herz und erkenne, das du bereust all deine Sünden. 14 Ich segne dich im Namen des heiligen Lichts. 15 Und nun setze dich zu uns." 16 Rianna setzte sich zu ihnen an den Tisch. 17 Sodann stand Eugil auf und sprach: "Meisterin, sollen wir wahrlich an einem Tisch speisen mit diesem sündhaften Weib?" 17 Und Sophia sprach zu Eugil: "Das heilige Licht hat ihr vergeben; und also sollst auch du ihr vergeben. 18 Abgewaschen sind ihre Sünden, fortan ist ihr Leib rein und sie wird nicht mehr sündigen. 19 Doch bist du jener, der ihr die Sünden nach trägt? 20 Bist du der Vater, der die verloren geglaubte Tochter nicht willkommen heißt?" 21 Eugil setzte sich wieder und schwieg. 22 Rianna blieb noch einige Stunden bis sie sodann wieder heimwärts ging und für wahr, fortan sündigte sie nicht mehr, war tiefen Glaubens und führte ein keusches Leben.