1 ach dem Aufbruch aus dem Tal Culba führte Ering sein Volk noch 3 Jahre. 2 Als er verstarb, taten seine Nachkommen nach seinen Willen und verbrannten ihn, um seine Asche in einer Urne mitzuführen und sie im verheißenen Land zu begraben. 3 Erings ältester Sohn Gideon war nun der König und mit seinem Volk folgte er dem Wegweiser des heiligen Lichts am Himmel über viele Jahre. 4 Die Eringer vermehrten sich und wuchsen zu großer Zahl, gleichsam wuchs der Zweifel und immer mehr Männer und Frauen glaubten nicht mehr daran, das sie das verheißene Land jemals erreichen würden. 5 Der Sprecher der Zweifler war Leoni, Gideons Bruder, und von Jahr zu Jahr wurden sie unzufriedener, ihre Zahl größer und ihre Stimme lauter. 6 So begab es sich, das König Gideon eine Versammlung einberief und als das ganze Volk versammelt war, sprach er zu ihnen: Ich bin euer König und weiß um euren Unmut und eure Klage, doch seid voller Hoffnung und fest im Glauben, denn wir sind auserwählt durch die Gnade des heiligen Lichts und der Tag wird kommen, da wir einziehen in das Land, das uns bestimmt ist. So wollen wir gehen, nach dem Willen des heiligen Lichts, so wie es zu Ering gesprochen ward. 7 Da trat Leoni aus der Menge hervor und sprach zu seinem Bruder und König: Viele von uns sind im Laufe dieser Reise, die nun schon viele Jahre andauert, heimatlos gestorben und begraben in fremder Erde. König Gideon, siehe, dein Volk ist des Wanderns müde. 8 Und König Gideon antwortete: Ich sehne mich nicht minder nach dem Ende der Reise, nach Heimat und Geborgenheit, doch dieser Lohn und mehr als das wird uns zuteil, wenn wir das verheißene Land erreicht haben, nicht früher, denn das ist der Wille des heiligen Lichts. 9 Als Leoni Gideons Worte vernahm, trat sein Streben wider dem König offen zu Tage 10 und er sprach: Du bist unser König, für wahr, durch die Blutlinie ermächtigt und nach dem Willen des heiligen Lichts eingesetzt, 11 doch weder steht geschrieben, noch ward es gesprochen, das du, König Gideon, nach Ering vom heiligen Licht dazu bestimmt bist, uns in das verheißene Land zu führen, geschweige denn, es zu finden. 12 Es ist ebenso gut möglich, das wir bereits auf dem Boden stehen, der unser sein soll. 13 Das die Zeit der Entbehrungen und Mühsal jetzt ein Ende hat, mag ebenso gut der Wille des heiligen Lichts sein; und darum sage ich: Möge die Zeit der Rastlosigkeit jetzt und hier vorbei sein. 14 Gideon stand auf und ging durch die Reihen seines Volkes, das ihm bis hierher gefolgt war, doch nicht weiter. 15 Er sah in ihre Augen und er sah Widerstand. 16 Er stand inmitten seines Volkes, als er zu ihnen sprach: Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter, Kinder Erings, ihr wisst um den Willen des heiligen Lichts. 17 Ihr wisst um die Worte des heiligen Lichts und das Ering auserwählt war, so wie auch wir, seine Nachkommen, auserwählt sind, in das Land zu gehen, das vom heiligen Licht für uns bestimmt ist. 18 Ohne Falsch sind die Worte meines Bruders, wenn er sagt, das ich zum König bestimmt bin, doch weder ich, noch jemand sonst, mit Gewissheit sagen kann, ob ich auch dazu bestimmt bin, euch in das verheißene Land zu führen. 19 Nur eines kann ich mit Gewissheit sagen: Wir sind auserwählt, durch die Gnade des heiligen Lichts, und ein jeder von uns wird vom heiligen Licht gleichermaßen geliebt und wird am Ende gleichermaßen stehen hoch im Licht. 20 Darum ist es mir gleich, wer uns ist das verheißene Land führt, denn dies kann ein jeder von euch ebenso wie ich; 21 denn wahrlich ich sage euch, das heilige Licht weist uns den Weg und wird uns ein Zeichen geben, unübersehbar für alle, wenn wir am Ende unserer Reise sind. 22 Ich stehe jetzt nicht als euer König unter euch, sondern als Nachkomme Erings, gleich so wie ihr es seid, und so bitte ich euch, 23 brecht nicht den Bund zwischen uns und dem heiligen Licht; lasset uns tun nach seinem Willen. 24 Lasset uns voranschreiten. 25 Gideons Worte beschämten sein Volk und es wurde beschlossen am nächsten Tag aufzubrechen. 25 Leonis Herz jedoch war voller Zorn als sich die Versammlung auflöste. 26 Am Abend verließ Gideon das Lager, um Proviant für die nächsten Tage zu suchen. 27 Ungesehen folgte Leoni seinem Bruder. 28 Gideon war bereits weit weg vom Lager, als er eine Höhle fand. Er ging hinein und stand nach wenigen Schritten vor einem tiefen Abgrund. 29 Gideon wollte gerade umkehren, als sich Leoni von hinten anschlich und Gideon in den schwarzen Schlund hinab stieß. 30 Im Lager zurückgekehrt begegnete Leoni dem Gemahl seiner Schwester Johanna, mit Namen Gariel, der fragte: Ich suche nach König Gideon; hast du ihn gesehen? 31 Und Leoni antwortete: Als ich ihn zuletzt sah, ging er aus dem Lager, um nach Proviant zu suchen. Er wird sicher gleich zurückkehren, da es schon dunkel wird. 32 Die Nacht brach herein ohne das Gideon zurückkehrte und böse Tat war in der Welt zuerst. 33 Leoni legte sich in seinem Zelt zur Ruh und im Traum zeigte ihm das heilige Licht das Reich, das ihn erwartete. 34 Und er sah das dunkle Höllenreich mit all den Kreaturen, die dort weilen ewiglich. Er sah die Fürsten der Dunkelheit und untotes Fleisch. Und er sah die schrecklichen Fratzen der ewigen Qual. 35 Er erwachte im Schweiß seiner Angst als der Mond noch am Nachthimmel stand. 36 Er kleidete sich wieder an so schnell er konnte und rannte zu der Höhle, dort wo er Gideon den Abgrund hinunter gestoßen hatte. 37 Als Leoni dort ankam, sah er, wie sich Gideon gerade über den Rand des Abgrunds zog. 38 Leoni fiel auf die Knie und sprach: Gideon, mein Bruder und König, große Sünde habe ich an dir begangen, der du stehst im Licht. 39 Verblendet war ich, doch jetzt erkenne ich meine Schuld und bereue meine Tat. Ich will Buße tun und dein Urteil über mich will ich klaglos annehmen, denn wie es auch sei, es ist noch milde im Angesicht der Strafe des heiligen Lichts, die mich erwartet. 40 Gideon trat zu seinem Bruder und sprach: Steh auf mein Bruder, das heilige Licht hat mich nicht vor dem Tod bewahrt, um über dich zu richten. 41 Am Ende soll das heilige Licht dein Richter sein; 42 ich aber will für dich beten, auf das dir vergeben werde, so wie ich dir vergebe. 43 Und so fielen sich die beiden Brüder in die Arme und weinten. 44 Der Morgen graute als Gideon und Leoni zurück ins Lager kamen und mit großer Erleichterung wurden sie empfangen. 45 Und König Gideon sprach zu seinem Volk: Seht, tief bin ich gefallen und doch zurückgekehrt, denn meine Aufgabe ist noch nicht erfüllt, euch anzuführen so weit ich kann, auf dem Weg in das verheißene Land. Und seht, das heilige Licht hat mich nicht nur wohlbehalten zurückkehren lassen, mir ist auch ein neuer Bruder geschenkt. 46 So brachen die Eringer frohen Mutes auf und Leoni stand fortan treu an der Seite des Königs, bis dieser im Alter von 97 Jahren verstarb. 47 Leoni betete an Gideons Totenbett und sprach: O heiliges Licht, Gideon hat dich geehrt und geliebt wie kein anderer und gleichsam sein Weib. Und doch hast du ihnen keine Kinder geschenkt. So bin ich nun der nächste König, so wie dein Wille geschrieben steht in der Königsrolle; doch ich bin diesem Amt unwürdig; zu groß ist die Sünde, die ich begangen habe. Allmächtiges Licht, gib uns ein Zeichen, auf das ein würdiger König den Thron besteigt und uns führt. 48 Und das allmächtige Licht sprach: Ich bin allmächtiger Vater, allgegenwärtige Mutter, die eine Wahrheit und das Licht; 49 und wer mich liebt, der wird Glückseligkeit erfahren, denn ich bin das gütige Licht; 50 doch wer sich von mir abwendet, der wird vor mir nicht bestehen, denn ich bin das strafende Licht. 51 Schuld hast du auf dich geladen, doch Gideon hat dir vergeben und also will auch ich dir vergeben, denn ich bin das barmherzige Licht. 52 Reingewaschen von der Schuld sollst du König sein; dies ist mein Wille, denn ich bin das allmächtige Licht. 53 Leoni tat, wie ihm geheißen ward und regierte über das Volk der Eringer, demütig, weise und gerecht; und das Volk liebte seinen König.